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AGILE = ANARCHY?

Die Angst des Managements vor der agilen Transformation. Berechtigt?


Maik Neubauer, Published on LinkIN & XING, 18/01/2021




Auch fast 20 Jahre nach Entstehung der agilen Managementtechniken auf Basis des „Agile Manifesto“, das eine Gruppe von Software- und Organisationsexperten im Jahr 2001 erstellt und dokumentiert haben, tun sich viele Unternehmer und Manager mit der Einführung von agilen Unternehmensstrukturen immer noch sehr schwer. Einige assoziieren agile Organisationsformen sogar mit anarchischen Strukturen, da sie befürchten, dass sich Gruppen im Unternehmen verselbstständigen und sie so die „Kontrolle“ über die Entwicklungen verlieren könnten. Ist diese Angst begründet und wie können agile Methoden und traditionelle Führungsstrukturen kombiniert werden?


Es fing so gut an…


Auf Basis der in vielen Studien nachgewiesenen vermeintlichen Vorteile von agilen Organisationen wie u.a.

  • Gesteigerte Produktivität und Mitarbeiterzufriedenheit,

  • Eliminierung von Mehrfacharbeit durch Informationstransparenz,

  • Erhebliche Steigerung der Innovationsfähigkeit,

  • Unmittelbare Reflektion und Integration von Kundenbedürfnissen,

  • Schnelleres Design und Marktfähigkeit von Produkten oder internen Systemen

ist das Management von Unternehmen schnell bereit agile Teams für die Entwicklung von neuen Produkten oder IT Systemen zu akzeptieren.


…. wurde dann jedoch schnell kompliziert


Der erste Widerstand ist jedoch bereits zu spüren, wenn Mitarbeiter aus ihren funktionalen Silos in agile Teams überführt werden sollen und im Idealfall dann 100%+ Ihrer Arbeitszeit in der neuen Verantwortung und Rolle verbringen.

Werden Executives nach Ihren Erfahrungen mit der Einführung von agilen Arbeitsmethoden befragt, ergeben sich schnell ausweichende Antworten und verlegende Blicke. In vielen Firmen werfen gestandene Führungskräfte zwar mit agilen Begriffen wie „Sprints, Backlog, Scrum, Kanbanlanes“ um sich, können diese aber in weniger Fällen wirklich präzise einordnen.


Viele Führungskräfte nehmen sich selbst keine Zeit für die Teilnahme an den agilen Trainings oder Workshops, die sie selbst Ihrer Organisation „verordnet“ haben, sondern delegieren diese Aufgabe „vertrauensvoll“ und gerne an ihre nächsten Führungsebenen.


Der Grund dafür ist denkbar einfach: Viele Führungskräfte nehmen sich selbst keine Zeit für die Teilnahme an den agilen Trainings oder Workshops, die sie selbst Ihrer Organisation „verordnet“ haben, sondern delegieren diese Aufgabe „vertrauensvoll“ und gerne an ihre nächsten Führungsebenen.


Das Management als Hauptrisikofaktor in agilen Projekten


Viele Top-Manager akzeptieren zwar generell agile Vorgehensweise und Projektgruppen im Unternehmen, versuchen diese nach der Etablierung aber weiterhin mit den ihnen vertrauten traditionellen Managementmethoden unter Kontrolle zu halten. Sie akzeptieren somit die grundlegende und wichtige Eigenverantwortlichkeit und Entscheidungskompetenz der agilen Teams nicht, hintergehen die notwendige 100%ige Einbindung „Ihrer“ Top-Experten in den agilen Projektteams, fordern zusätzliche Review Meetings ausserhalb der agilen Projektstruktur ein, übergehen bereits getroffene Entscheidungen oder blockieren die Umsetzung dieser Entscheidungen im weiteren Projektverlauf. Mit diesem „gut gemeinten“ Aktionismus gefährden sie die agilen Projekterfolge, frustrieren die Mitarbeiter und etablieren sich selbst als einen der wesentlichen Risikofaktoren in neuen agilen Strukturen.


Die Top 6


Die Einführung von agilen Methoden und Strukturen kann nicht „über Nacht“ erfolgen und muss auf Basis eines priorisierten Projekts im Unternehmen mit vollem „Buy-In“ der oberen Managementetagen erfolgen.

Dabei sollte das Management folgende 6 Erfolgsfaktoren auf Ihrer Transformationsagenda behalten:


1. Das Managementteam muss „AGILE“ wirklich verstehen (wollen)


Bevor ein Unternehmen agile Methoden einführt, sollte das Top-Management geschult sein - ausnahmslos -, damit alle Beteiligten die neuen agile Arbeitsmethoden und Strukturen sowie die Auswirkungen auf Ihre Linienorganisation verstehen und sich bei der Einführung keine versteckten Widerstände formulieren. Managementworkshops, Coachings oder Trainings werden zwar nicht alle Bedenken von Anfang an ausräumen, schaffen jedoch eine gemeinsame Verständnis- und Diskussionsbasis um auftauchende Probleme gemeinsam zu bewältigen.


2. Gemeinsame Definition der agilen Einsatzbereiche


Im Rahmen der initialen Managementworkshops sollte das Top-Management zudem die relevanten und priorisierten Einsatzbereiche für agile Methoden diskutieren und dokumentieren. Sie legen dabei den Grundstein fuer das unternehmenseigene „Agile Manifesto“. Nicht in allen Unternehmensbereichen werden agile Methoden automatisch zu einer höheren Produktivitaet führen. Es gibt jedoch eine viele Fallstudien und Leitlinien, die das Management als Bewertungskriterium in der eigenen Organisation nutzen kann. Das unternehmenseigene „Agile Manifesto“ inklusive der Leitlinien in welchen Bereichen das Management „Agile“ als sinnvoll ansieht, gibt den Mitarbeitern die notwendige Basis für zukünftige Entscheidungsprozesse im Rahmen der agilen Projektorganisation.


3. Klein starten und dann kontrolliert erweitern


Viele Firmen haben die Tendenz neue Managementmethoden unmittelbar zu skalieren, d.h. in verschiedene Bereiche auszurollen. Obwohl dieser Ansatz oft sinnvoll erscheint, um Skaleneffekte zu heben, sollten Unternehmen bei der Einführung von agilen Methoden zwar mit breiter Managementunterstützung starten, die Einführung von agilen Teams aber erst einmal in einem überschaubaren Rahmen starten. Auf Basis der ersten Erfolge und Erfahrungen kann dann kontrolliert skaliert werden.

Agile Methoden transformieren ein Unternehmen grundlegend, da Prozesse, unterstützende IT Systeme, Planungs- und Budgetprozesse aber auch die Unternehmenskultur sich ändern müssen.


Dieser Anpassungsprozess kostet viel Zeit, etwas Geld und sollte durch das Management nachhaltig unterstützt und aktiv begleitet werden. Wenn sich die ersten erhofften Erfolge aus den agilen Projekten einstellen, werden sich automatisch neue Themenbereich ergeben, um die agile Organisation wertschöpfend zu erweitern.


4. „Agile at the Top“ instead of „Follow me - I am just behind you“


Auch wenn viele Aufgaben in den obersten Führungsetagen sich nicht für agile Arbeitsmethoden eignen, gibt es sehr wichtige Bereiche, die sich „agilisieren“ lassen. Voraussetzung ist, das die C-Suite sich geschlossen auf die agile Transformation für diese Bereiche einlässt.


Projekte die erheblich von agilen Methoden profitieren ist beispielsweise der gesamte Prozess zur Strategieentwicklung, die Jahres- und Budgetplanung, das Ressourcenmanagement, das strategische Innovationsmanagement sowie die generelle Weiterentwicklung der Unternehmenskultur.


Top-Manager, die sich als Team auf den konsequenten Einsatz von agilen Methoden in der C-Suite einlassen, werden nachhaltig profitieren, da sich das Verständnis fuer komplexe bereichsübergreifende Themen - gegenüber dem traditionellen Reporting im Boardmeeting - stark erweitert und das Vertrauen für gemeinsame Problemlösungen im Management stark wächst. Das agile Teamwork des Top-Managements wird in der Belegschaft unmittelbar sichtbar und beschleunigt so die agile Transformation und den notwendigen Kulturwandel im gesamten Unternehmen. Ein Richtwert aus der Praxis ist, das CxO’s mindestens 25% Ihrer Arbeitszeit als Sponsor und Sparringspartner in den Sprintreviews von agilen Projekten im Unternehmen verbringen sollten.


5. Arbeiten an den „Barrieren“ in den Köpfen - durch gnadenlose Transparenz


Die proaktive Unterstützung von agilen Methoden durch das Management sollte durch eine regelmäßige Kommunikation über Erfolge, aber auch Probleme bei der Einführung von neuen Arbeitstechniken und Methoden unterstützt werden. Nur durch eine gnadenlose Transparenz kann eine agile Transformation gelingen. Die Top-Prioritäten in den Unternehmenszielen sollten im Einklang mit den wichtigen agilen Initiativen stehen. Agile Projekte, die in den Unternehmenszielen nicht auftauchen, werden ignoriert und nicht mit den notwendigen Ressourcen ausgestattet.

Auch wenn durch die Einführung von agilen Methoden Veränderungen im Unternehmen erzwungen werden, muss das Management nicht gleich gravierende Änderungen an der Organisationsstruktur vornehmen. Durch die Kombination von funktionsübergreifenden Experten in agilen Teams werden agile Organisationen automatisch über eine Matrix gesteuert, die auch weiterhin von punktueller Unterstützung aus „ihren“ Linien abhängig sind. Extrem wichtig ist, das der autonome Charakter und die Kompetenzen von agilen Teams durch das Management einheitlich akzeptiert werden und Entscheidungen, die in der agilen Struktur gefallen sind, nicht wieder durch das Linienmanagement revidiert oder in Ihren Umsetzungen behindert werden.


6. Das „Highländer Prinzip“


Das Top-Management muss sich daher bei der Initiierung von agilen Projekten im Vorfeld über die Entscheidungskompetenzen innerhalb des C-Suite abstimmen. Auch wenn agile Projektteams Teil einer Matrixorganisation sind, kann es nur ein Mitglied aus dem Managementteam geben, der „das letzte Wort“ bei wichtigen Entscheidungen in bestimmten Bereichen wie Finanzen, Ressourcenzuteilung oder die Anpassung von Systemen und Prozessen hat. Üblicherweise existiert für jede agile Initiative ein Sponsor aus dem Managementteam, die/der sich im Falle einer Unklarheit oder Entscheidungsschwierigkeiten mit seinen Kolleg(inn)en im Executive Team abstimmt und mit einer klaren Entscheidung zum Product-Owner ins agile Team zurückkehrt.


Das potentielle Risiko von anarchischen und unkontrollierbaren Strukturen im Unternehmen existiert nur als Risikofaktor in den Knöpfen der Manager, die sich nicht auf eine Transformation einlassen.

Führungskräfte, die die Chancen und Risiken einer konsequenten, agilen Transformation im Unternehmen im Vorfeld gemeinsam analysieren und diese Transformation als Team geschlossen angehen, werden schnell von der neuen Arbeitsweise profitieren und auch als Managementteam wachsen.


Das potentielle Risiko von anarchischen und unkontrollierbaren Strukturen im Unternehmen existiert nur als Risikofaktor in den Knöpfen der Manager, die sich nicht auf eine Transformation einlassen.

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